Non-Dualität, oder auch A-dvaita genannt, bedeutet Nicht-Zweiheit. Worauf hingewiesen wird ist, dass alles Eins ist. Alles im Universum besteht aus ein und demselben Material, nämlich Energie. Und diese Energie nimmt Milliarden Formen, wie Planeten, Wasser, Luft, Pflanzen, Bäume, Kaninchen, Elefanten und Menschen an. Auch wir Menschen sind schlichtweg ein Stückchen Energie. Nur findet im Menschen, wenn er ungefähr anderthalb Jahre alt ist, etwas Einzigartiges statt. Denn dann entwickelt sich unser Selbstbewusstsein, beziehungsweise unser Ego. Plötzlich denkt das Kind: „He, das bin ICH!“ Dies ist auch der Moment, in dem das Kind beginnt, sich selbst im Spiegel zu erkennen.
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Die ICH-Vorstellung und das ICH-Gefühl, die in dem Kind entstehen, sind äußerst praktisch. Sowohl für das Überleben, als auch, um mit Anderen in soziale Interaktion treten zu können. Dass wir uns selbst als Individuum betrachten ist demnach durchaus nützlich und notwendig. Doch hat sich bei dem Menschen die ICH-Vorstellung besonders stark durchgesetzt.
In dem Maße, in dem das Kind aufwächst, nimmt die ICH-Vorstellung stets stärkere Ausmaße an. Dann kommt der Moment, in dem eine zusätzliche Vorstellung entsteht: Ich muss „gut genug“ sein! So sieht man, dass Kinder und vor allem auch Teenager in der Pubertät die richtige Markenkleidung tragen wollen, sich mit einem Popstar, Fußballclub oder einer bestimmten Musik identifizieren, den richtigen Roller fahren wollen und in einer Disco mit der Haltung „Bestätige bitte, dass ich gut genug bin“ herumlaufen. Das Aufrechterhalten deines Selbstbildes beginnt zur Tagesaufgabe zu werden.
Dieses Verhalten nimmt weiter zu. Sowohl in Beziehungen, als innerhalb des Arbeitsumfeldes begegnest du dann Menschen, die damit beschäftigt sind „gut genug“ zu sein. Der Eine versucht dies durch das Zeigen dominanten Verhaltens, verbunden mit der Vorstellung: „Wenn ich aggressiv und dominant genug wirke und keinen Konflikt aus dem Weg gehe, werde ich beweisen, dass ich gut genug bin“. Ein Anderer zeigt gefälliges Verhalten, entsprungen aus dem Gedanken „Wenn sie mich doch nur gut genug finden“. Jene versuchen es anderen Recht zu machen, um auf diesem Weg auch selbst gut genug gefunden zu werden und zeigen darum unterwürfiges und konfliktvermeidendes Verhalten. Jedoch sorgt sowohl das dominante, als auch das gefällige Verhalten für eine Menge Stress.
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Je nachdem, wie wir aufwachsen, denken wir nicht nur „Ich muss gut genug sein“. Denn ein Gedanke, der ebenfalls auftaucht, ist: „Ich muss alles unter Kontrolle haben!“ Die Entscheidungen, die du triffst, sind immerhin von großem Einfluss auf den weiteren Verlauf deines Lebens. Es hängt also ziemlich viel davon ab. Du musst schon zu jungen Lebzeiten die richtigen Fachkombinationen wählen, das richtige Praktikum, die richtige Arbeit, den richtigen Partner, das richtige Urlaubsziel und die richtige Autoversicherung. Und dies alles ist überhaupt nicht leicht.
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Wir leben mit der Vorstellung, dass wir als ICH unser Leben steuern und darum wollen wir, dass alles auch die richtige Richtung einschlägt. Aber so sehr wir auch versuchen Schmerz zu vermeiden und Freude zu erleben, werden wir auch mit Rückschlägen konfrontiert. Hinzu kommt, dass das Leben gerade aus dem besteht, was dir widerfährt, während du andere Pläne machst. Hättest du vor zehn Jahren schon vorhersagen können, wie dein Leben heute aussieht? Mehr noch, wenn du am Ende des Tages darauf zurückschaust, was du am Morgen geplant hattest und was letztendlich passiert ist, besteht darin meist ein großer Unterschied. Aber wenn das Leben anders läuft, als wir das wollen, entsteht Frustration. Zusätzlich leben wir mit der Angst davor, was in der Zukunft passieren könnte. Und gleichzeitig tragen viele Menschen eine Last auf ihrem Rücken, auf der „Vergangenheit“ geschrieben steht. Gefüllt mit Vorwürfen, Schuldgefühlen, Trauer und Bosheit.
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Du siehst also: eine Menge mit Grübelei gefüllten Wolken entstehen. Und dies verursacht wiederum eine Menge Stress und Verkrampfung. Wir beginnen mental zu leiden. Und weil sich dies alles so schrecklich anfühlt, denken wir: „ich werde neue Dinge kaufen!“ Und es funktioniert. Denn wenn du dann das neue Auto gekauft hast, fühlst du dich fantastisch. Die Verkrampfung ist plötzlich verschwunden, herrlich! Du fährst wie ein Erleuchteter umher und fühlst dich glücklich wie ein Kind.
Aber dann, nach ungefähr drei Tagen, scheint der Reiz des neuen Autos verflogen und du denkst: „Ich muss wieder etwas Neues kaufen!“ Und so ist unsere Konsumgesellschaft entstanden, in der wir massenhaft danach streben, den inneren Kampf zu unterdrücken und die Leere in uns mit allerlei neuen Dingen zu füllen. Und dies versuchen wir nicht allein mit einem neuen Breitbildfernseher oder neuen Schuhen, sondern auch mit Essen. Denn auch Schokolade, Zigaretten und Bier erfüllen prima ihre Arbeit. Und für die Fortgeschrittenen unter uns gibt es immer noch illegale Drogen und Antidepressiva.
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Einige Menschen merken, dass all die Dinge nur zeitlich begrenzt ihre Funktion erfüllen und machen sich somit auf die Suche nach neuen Methoden. Beispielsweise „Karriere machen“, verbunden mit dem Gedanken: „Wenn ich die Funktion einmal inne habe, dann wird alles gut sein“. Und dann bist du endlich Manager oder Direktor und dann… dann ist das Elend noch immer da!
„Weißt du was?“, denkst du dir, „Ich werde spirituell!“ Weihrauch erhält Einzug in dein Haus, du beschäftigst dich mit positivem Denken, du buchst eine Reise nach Indien, gehst rebirthen und reinigst alle deine Chakras. Doch verdammt noch mal… auch dies funktioniert nur für kurze Zeit! „Das geht nicht gut“, denkst du dir, „Ich muss in eine Therapie!“ Du gehst zu einem Therapeuten und zusammen nehmt ihr deine Vergangenheit unter die Lupe und versucht den Dingen auf den Grund zu gehen. Ist die Sitzung vorbei, fühlst du dich vielleicht wieder kurzzeitig okay, aber nach und nach ziehen die Wolken erneut auf.
Dann lautet die Frage: „Was machen wir falsch?‘ Die Antwort lautet: Überhaupt nichts! Alles ist ein Teil des Spiels, das wir „Leben“ nennen. Und Dinge können niemals anders sein, als sie es sind. Es ist also auch nichts falsch an unserer Konsumgesellschaft und dem gehetzten und gestressten Zusammenleben, in dem wir leben. Es ist, so wie es ist.
Oft versuchen wir alle Gedankenblasen durch Hinzufügung einer neuen Blase zu entfernen. Aber dies funktioniert nur kurzzeitig. Non-Dualität beschäftigt sich mit dem Durchstechen der allerersten Blase, nämlich der „ICH“-Vorstellung. Es ist der direkteste Weg zur Befreiung. Worauf die Non-Dualität hinweist ist, dass das „ICH“ ein Gefühl und ein Gedanke ist, der in uns entsteht. Die Vorstellung also, dass du jemand bist, ist wirklich nur eine Vorstellung. Es gibt niemanden! Alles ist eine Energie in Bewegung. Der Wind weht, der Regen fällt, der Baum wächst, der Planet dreht sich und der Mensch redet und handelt. Alles geschieht von selbst.
Im Tiefschlaf sind die ICH-Gefühle und ICH-Gedanken ausgeschaltet. In diesem Moment existiert die Vorstellung ein Individuum zu sein nicht mehr. Und doch läuft alles mühelos weiter, dein Herz schlägt, dein Blut strömt, du atmest, du bewegst dich, Wunden heilen, dein Haar wächst und die Verdauung macht ihre Arbeit. Und dafür bist „du“ überhaupt nicht notwendig. Im tiefsten Schlaf ist auch jegliche Verkrampfung verschwunden. Und dann erwachst du morgens. Die Festplatte in deinem Kopf startet wieder und PUFF! Die Verkrampfung ist wieder da!
Befreiung entsteht durch Einsicht, nicht durch Einsatz. Sobald das erste Wölkchen (der „Ich-Gedanke“) durchschaut wird, kann ein tiefes Gefühl der Befreiung entstehen. Die Verkrampfung mit der du lebtest, d.h. gut genug sein zu müssen und alles unter Kontrolle zu haben, wird gegenstandslos. Das Leben fühlt sich leichter an, wird entspannter und innere Ruhe erhält in vermehrtem Maße Einzug in dein Leben.
Du hast keinerlei Kontrolle, denn du hast keinen freien Willen. Mehr noch, es gibt kein einziges Individuum, das einen freien Willen haben könnte! Aber wenn du kein Individuum bist, wer oder was bist du dann?
Du bist das „Eine“. Und was das Eine ist, ist nicht benennbar. Ein Mensch ist nämlich eine Erscheinung in dem „Einen“, und kann das „Eine“ somit überhaupt nicht erfassen. Genauso wie das Auge alles sehen kann, aber nicht sich selbst. Konzepte, die auf das „Eine“ verweisen, sind: alles ist Bewusstsein, alles ist Energie, alles ist Tao, alles ist das Selbst.
Alles ist Bewusstsein, in dem alles erscheint und verschwindet. Universen erscheinen und verschwinden, genauso wie Planeten, Tiere, Menschen, Situationen, aber auch Gedanken und Gefühle. Ganz von selbst. Die Erkenntnis, dass auch du als Erscheinungsform von selbst geschiehst, sorgt für tiefe Ruhe. Du bist immer schon gut gewesen, so wie du bist. Und das Leben ist eine komplett ausgestattete Reise, inklusive aller Höhen und Tiefen.
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